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Hallo liebe Rieslingfreunde und Lagerfähigkeitsdiskutanten und -diskuonkels,
wenn einer eine Reise tut, dann bringt er oft was mit. Aus Pünderich,
Enkirch, Reil, Burg und Traben-Trarbach waren es so an die 60 Fläschchen und
wieder stand ich vor diesem Problem, das nur eine Lösung kennt: die
Weinregale waren voll und verlangten nach sofortiger Leerung einiger
Flaschen. Also im näheren Umkreis um Hilfe gerufen und so trafen dann am
Mittwoch auch 6 Weinnasen ein, um freundlicherweise beim Platz schaffen zu
helfen. Alle hattens allerdings nicht so ganz verstanden und brachten selber
noch Weine mit. Wahrscheinlich brauchten sie auch Platz zu Hause !
Aufgeschreckt durch Bernds Thread und Zweifeln an der Lagerfähigkeit von
Riesling hatten wir alle unsere ältesten Flaschen dieser Rebsorte
hervorgeholt und tranken sie nach Alter (an alte Rieslinge muß man sich
herantrinken, habe ich von Frau Lehnert - Wg. Lehnert-Veit / Piesport
gelernt).
Hier die Notizen (Wertung nur durch mich):
1. Piesporter Goldtröpfchen Auslese, 1993, Wg. Lehnert-Veit / Piesport,
Mittelmosel, einst 21,-DM für 0,5 l
Einer meiner Lieblinge in den letzten Jahren, dem ich mehrfach um die 16
Punkte zugestanden habe. Letztes Jahr habe ich im für dieses Jahr den Beginn
der Reifestadiums prophezeit. Da enttäuscht der Wein etwas: reife goldene
Farbe, Honig in der Nase und Honig/Mango im Mund. Lecker, saftig und rund,
aber recht mild in der Säure. Es fehlt ein wenig die Rasse und Delikatesse
des Vorjahres. Entweder wird der Wein jetzt langsam müde oder er gewinnt mit
Firne und weiterer Aromenumwandlung. Ich hoffe letzteres (weil ich noch 5
Flaschen habe). So 15,0 Punkte
2. Schloß Saarsteiner Auslese, 1990, Wg. Schloß Saarstein / Serrig, Saar,
einst 24,80 DM
Meine erste schöne Auslese und mittlerweile 5 Jahre unter zu warmen
Bedingungen gelagert: Sattes Gold, attraktive Honigfirne in der Nase, im
Mund noch Pfirsich und gelbe Äpfel. Runder, saftiger, recht dichter Wein mit
ein wenig Eleganz. Wird 15 Jahre alt. Knappe 16,0 Punkte
3. Bischoffinger Rosenkranz Spätlese trocken, 1992, Winzergenossen.
Bischoffingen, Baden
Mit Entsetzen stellte ich erst jetzt fest, das meine Gäste auch trockene
Weine mitgebracht hatten. Also kleine Essenspause und dann auf damit. Dieser
hier landete allerdings gleich im Ausguss: der Wein hatte einen derart
penetranten Muffton, das er allgemein als unbgenießbar angesehen wurde. War
aber keine Frage des Alters sondern in dieser Flasche wohl immer so. Keine
Wertung.
4. Forster Freundstück Auslese trocken, 1988, Heinrich Spindler, Forst,
Pfalz
Sattes Gold, kräftige Nase nach Honigfirne, die allerdings nicht so
attraktiv ist wie bei Wein 2. Am Gaumen alte, leicht angefaulte gelbe Äpfel.
Anfangs pikanter Wein, der aber mit der Zeit leider zerfällt. Anfangs 14,0,
später 13,0 Punkte
5. Lorenzhöfer Mäuerchen Auslese, 1990, Karlsmühle, Mertesdorf, Ruwer, einst 18,- DM
Gelbgold mit einem aparten Grünschimmer, ganz dezente Firne in der Nase, am
Gaumen der Ruwerpfirsich mit Honig. Eher schlank, dadurch aber elegant,
rund, lebendige, reife Säuren und im positiven Sinne sehr gefällig. Der Wein
hat eine ähnliche Geschichte wie Wein 2 hinter sich und voriges Jahr fand
ich letzteren auch ein halbes Pünktchen besser. Die meisten in der Runde
bevorzugen diesmal das Mäuerchen, ich werte beide Weine gleich und gestehe
diesem Wein auch 15 Jahre zu. Knappe 16,0 Punkte
6. Wehlener Sonnenuhr Spätlese, 1985, J.J.Prüm, Wehlen, Mittelmosel
Gelbgoldene, nicht besonders intensive Farbe, nur mittelkräftiges
attraktives Bukett mit Hefetönen, reife Pfirsiche und Zitrustöne am Gaumen,
mild aber ungeheuer frisch und lebendig wirkende Säuren, rassig. Blind
verkostet hätte ich diesen Wein auf 5 Jahre geschätzt. Unglaublich lebendig
für das Alter. Vielleicht ein wenig gradlinig. Nur deshalb denke ich, das
der Wein mit 18 Jahren getrunken sein sollte. 15,0 Punkte
7. Wehlener Sonnenuhr Auslese, 1982, J.J. Prüm, Wehlen, Mittelmosel
Wieder diese eher blasse gelbgoldene Farbe, wieder dieses zurückhaltende,
fast verschlossen wirkende Bukett, diesmal nach Pfirsichen. Auch am Gaumen
kommt der Wein erst langsam, sozusagen von hinten - aber wie er kommt: ein
Ausbund an Harmonie, reife und wieder sehr lebendige Säuren, zart,
nuanciert, voller Finesse und Eleganz. Ein großer Wein ! Und ein ganz junger
Wein ! Blind auf 7 Jahre geschätzt. Dieser Wein übersteht die 30 Jahre. 17,5 Punkte.
8. Forster Freundstück Auslese, 1981, Heinrich Spindler, Forst, Pfalz
Helles Topas, reiches, attraktives Bukett nach Orangen und Tabak, Orangen
und Honig mit leichten Bittertönen am Gaumen. sehr pikant, vielleicht ein
wenig alkoholisch. So das glatte Gegenteil von Wein 7, an den er natürlich
nicht heranreicht. aber schön gereift und auch mit 25 Jahren sicher noch ein
Genuß.
15,5 Punkte
9. Neumagener Michelsberg Spätlese, 1979, Graf Jakob von Eltz, Moselkern,
Mosel
Den hat Fritz aus irgendeinem obskuren Keller mitgebracht. Michelsberg =
Großlage, allerdings normalerweise unter Piesport. In Neumagen gibt es
immerhin keine Flachlagen. Das Etikett ziert ein Geldschein (!), der mit der
Burg Eltz. Weingut an der Untermosel, Trauben an der Mittelmosel, abgefüllt
in Langenlonsheim an der Nahe. Sollte uns Fritz da etwa einen Supermarkswein
mitgebracht haben - seine Vorliebe für gereifte Amselfelder ist bekannt.
Nein - dieser obskure 22 jährige war eine echte Überraschung: Sattes
gelbgold und nicht oxidiert in der Farbe, kräftig Heu und Pfirsich in der
Nase, zu der sich (viel) später ein Medizinalton gesellt, der dann etwas
aufdringlich wirkt. Erst ist der Wein nachhaltig, saftig und recht charmant
mit einem schönen Pfirsichsaftton am Gaumen. Dann verliert er aber an Tiefe
und Körper und Kräuter-/Brennesselaromen lassen ihn pikant werden. Sollte
jetzt getrunken werden, kann aber auch noch die 25 erreichen. Frisch
geöffnet 15,0, später dann 14,5 Punkte
10. Hallgartener Schönhell Auslese, 1976, (jetzt kommts !:) Fürstlich
Löwenstein-Wertheim-Rosenberg´sches Weingut im Alleinvertrieb von Graf
Matuschka-Greiffenclau Schloß Vollrads, Hallgarten, Rheingau
Helles, brillantes Topas, reiches, attraktives Bukett nach Tabak und
Orangen, ganz dezente, milde Orangen und Honigkuchentöne, sehr harmonisch,
sehr mild, langer Nachhall, delikat und noch richtiggehend süß. Die milden
Säuren gepaart mit der großen Süße ließen bei manchem etwas Kritik
aufkommen, aber ich fand den Wein in seiner milden Art elegant und nuanciert
und mit durchaus weiterem Potential versehen. Darin werde ich gerade eben
bestärkt, wo ich die letzten Reste aus der 1 Tag offenen Flasche genießen
darf. Erreicht die 30 Jahre ohne Probleme. Für mich der zweitbeste Wein des
Abends und knappe 17,0 Punkte.
11. Bernkasteler Doctor Auslese, 1976, Franz Dahm, Bernkastel, Mittelmosel, letztes Jahr beim Erzeuger für 39,- DM erstanden
Sattes Bernstein, attraktives, reiches Bukett nach Orangen, in die sich ein
kleiner alkoholischer Ton mischt. Orangen am Gaumen, langer Nachhall,
delikat. War die 3. Flasche dieses Doctors, der sich nach dem verlorenen
Rechtsstreit ab 1980 Alte Badstube am Doctorberg nennen muß, die ich seit
letztem Jahr genießen durfte. Bei dieser Flasche ließ der leichte
alkoholische Ton die Feinheit, Eleganz und Komplexität der anderen Proben
etwas vermissen. Der Wein wird locker 30 Jahre. So gute 16,0 Punkte
12. Pölicher Held Eiswein, 1959, Erben von Beulwitz, heute Mertesdorf /
Ruwer, der Wein ist aus Pölich/Mittelmosel
Er wurde leider nur der Star des Abends wegen seines Aussehens. Der Inhalt
dieser bei ebay ersteigerten Flasche war hellbraun und dem Geschmack nach
eine Mischung aus Wasser und Weinsäure, dem konzentrierteste Sherry-Aromen
zugesetzt waren. Der Korken hat die phänomenale Länge von 3,2 cm, ist
vollkommen ausgetrocknet und hat auch einer Korkmottenlarve zum Fraß
gedient. Die Füllhöhe war gut 5 cm unter der kurzen Kapsel. Die Flasche hat
eine elegant schlanke Form etwas abseits der Mosel-Schlegelflasche und wirkt
irgendwie nicht so ganz symmetrisch - mundgeblasen ? Und dann das Etikett,
das ich euch nicht vorenthalten will:
Dem Winzer sei Dank für diesen Göttertrank
Mosel - Saar - Ruwer
Pölicher Held
feinster Eiswein
naturrein
wird nicht verkauft_ wird nur getrunken_ bei besonderen_ Anlässen_
Nur für ganz große Feste.
Wachstum Erben von Beulwitz
Und da sag noch einer, Winzer würden Wein nur wegen der Moneten machen.
Vielleicht gabs ja beim alten Beulwitz so viel zu holen, daß die Erben ihre
Weine verschenken konnten. Heinrich Weis, der das Traditionsgut vor einem
Jahrzehnt übernommen hat, kann es leider nicht (schade, denn er macht so
schöne Weine). Die alte Flasche jedenfalls bekommt einen Platz auf meinem
Wohnzimmerregal, nachdem der Inhalt entsorgt worden ist.
Tja, die beiden Prümschen Weine: phänomenal in ihrer Lebendigkeit, kein
anderer Winzer bekommt das so hin. Die Auslese war ein großer Wein und dabei
noch nicht einmal eine Goldkapsel, sondern die "einfache" Auslese, die das
Weingut heute in neuen Jahrgängen für 35,- DM auf den Markt bringt. Dazu die
beiden 25 jährigen: Hallgartener Schönhell und Bernkasteler Doctor. Vier
Weine, die schon kleine Legenden erzeugen können - sozusagen legendiös
schnurrt Wolfgang
der immer noch ein Schlückchen Hallgartener im Glas hat.