1998er Chateauneuf du Pape
zusammengestellt von Ralf Kaiser + Heiko Reinartz



Protokoll: Wolfgang Martin




Probiert wurde :

1. 1998er Châteauneuf du Pape, Mas de Boislauzon
2. 1998er Châteauneuf du Pape, Pierre Usseglio
3. 1998er Châteauneuf du Pape, Clos du Mont Olivet
4. 1998er Châteauneuf du Pape, Mont Redon
5. 1998er Châteauneuf du Pape, Beaurenard
6. 1998er Châteauneuf du Pape, Guigal
7. 1998er Châteauneuf du Pape, Marcoux
8. 1998er Châteauneuf du Pape, Beaucastel
9. 1998er Châteauneuf du Pape, Vieux Donjon
10. 1998er Châteauneuf du Pape, Clos des Papes
11. 1998er Châteauneuf du Pape La Crau ,Vieux Télégraphe
12. 1998er Châteauneuf du Pape Boisrenard, Beaurenard
13. 1998er Châteauneuf du Pape Cuvée les Cadettes
14. 1998er Châteauneuf du Pape Réserve, Clos du Caillou
15. 1998er Châteauneuf du Pape Réservée, Pegau
16. 1998er Châteauneuf du Pape Laurence, Pegau
17. 1998er Châteauneuf du Pape Cuvée Papet, Clos du Mont Olivet
18. 1998er Châteauneuf du Pape Vieilles Vignes La Crau, de la Charbonnière
19. 1998er Châteauneuf du Pape Cuvée Grenache, Bosquet des Papes
20. 1998er Châteauneuf du Pape Cuvée Chantemerle, Bosquet des Papes


Gedenken an das grosse Schisma - Koelner trinken 98er

Wuppertal ist eine Stadt, die eine Schwebebahn und einen schönen Zoo hat. Das ist eigentlich alles, was man über Wuppertal wissen muss. Auf alle Fälle muss man sich nicht merken, dass Johannes Rau in dieser Stadt geboren ist, wo er - wenn er nicht aus für den Chronisten vollständig unerklärlichen Gründen Bundespräsident geworden wäre - wahrscheinlich als Presbyter in die Oberbarmer Kirchengeschichte eingegangen wäre. Oberbarmen, Unterbarmen, zum Er-Barmen - Wuppertal ist evangelisch!

Diese protestantische Grundhaltung hatte unseren Wein-Wuppi Freund Heiko Reinnartz sicherlich bewogen, zum 515. Geburtstag von Martin Luther 1998er Weine einzulagern.
In Gedenken an den 670. Jahrestag der Inthronisierung des Gegenpapstes Nikolaus V. durch Ludwig den Bayern hat er wohl Châteauneuf gewählt, um dem rechtmäßigen Papst Johannes in Avignon den Wein wegsaufen zu können.
(Wir können definitiv ausschließen, dass Heiko den Wein im Gedenken an den 150. Jahrestag der Barrikadenkämpfe in Elberfeld eingelagert hat, denn 1. ist Heiko im Schuldienst, hat 2. kein Berufsverbot und 3. war Friedrich Engels als heute schamvoll verschwiegener Sohn der Stadt und einer der Führer der Jungs auf den Barrikaden 1998 noch megaouter als heute und 4. hatten die Barrikadenkämpfe wirklich gar nichts mit Châteauneuf zu tun).

Nachdem die zum 480. Jahrestag des Wittenberger Thesenanschlags eingekauften 1997er Bordeaux ausgetrunken waren, suchte Heiko nach der Gelegenheit für seine 98er Châteauneuf. Da irgendwie kein Mensch den 525. Geburtstag von Martin Luther feiern wollte, musste er sich dem Hilligen Kölle zu wenden.
Und siehe da, hier wurde man fündig. War die lutherische Abspaltung im Leben unserer Stadt ein eher peripheres Ereignis, das nur für die rechtsrheinischen Vororte von Bedeutung war, so ließ uns das Grosse Schisma von 1378 doch bis heute in einiger Verwirrung zurück.
Einerseits das Ende der babylonischen Gefangenschaft unserer Kirche durch die Unterstützung der Heiligen Katharina und dann auf einmal 2 Päpste gleichzeitig: der eine in Rom, der andere in Avignon.
Man hatte sich die letzten 70 Jahre gerade daran gewöhnt, den Papst in Avignon in die Gebete aufzunehmen und sollte jetzt den in Rom preisen, obwohl es in Avignon noch einen gab - da wisse mer doch ja nit, wo mer hinn jonn solln !

So nahm die Kölner Seilschaft dankbar Heikos Angebot an, zum 630. Jahrestag des Grossen Schisma in der Weisheit 10 Jahre gelagerter Avignoneser Weine Erkenntnis zu finden, wen wir in unsere Papstlitanei für den Zeitraum 1378 - 1417 aufnehmen sollen.

Geübte Kölner Trinker kennen natürlich die Vorgeschichte des Avignoneser Papsttums, schließlich haben sie sich nach einer Beaucastel-Probe durch 3 Seiten Chronik über Bertrand de Got durchquälen müssen, bevor es zur ersten Weinbeschreibung kam.. (Für alle nicht so geübten Trinker nachzulesen auf der Webseite der Kölner Seilschaft unter "Schöne Burg am A. der Welt").
Dem Erzbischof von Bordeaux, der zum Papst gekrönt, auf dem Weg nach Rom auf halber Strecke fußkrank wurde und deshalb als Pontifex Clemens V. den Papstsitz kurzerhand nach Avignon verlegte. Damit begann das babylonische Exil der Kirche, aber keiner hat je die Rechtmäßigkeit seiner Amtszeit in Frage gestellt.
Bis auf Jacques de Molay natürlich, der als letzter Großmeister des Templerordens diesen Papst auf dem Scheiterhaufen verfluchte, nur weil der seinem Freund, dem französischen König, einen Gefallen tun wollte und dessen Vorgehen gegen den Orden trotz des Freispruches auf dem Konzil von Vienne unterstützte. Wo der König doch Philipp der Schöne hieß - schließlich ist auch der evangelische Oberbischof heute gut Freund mit König Wowereit..

Johannes XXII. aus Cahors als Nachfolger des Clemens hatte ebenso die Nase voll vom schwarzen Malbec und wollte trotzdem keinen leichten Sangiovese saufen. So blieb auch er in Avignon und unterstützte diesmal den schönen Friedrich v. Habsburg gegen den garstigen Bayern Ludwig.
Immerhin unterstützte er im Armutsstreit der Franziskaner die Relaxati gegen die Spiritualen. Dass die Spiritualen Kornspeicher und Geld ablehnten nötigt unseren ganzen Respekt ab. Das sie aber ebenfalls das Anlegen eines Weinkellers verteufelten, macht einen gestandenen Seilschafter doch misstrauisch: haben die wirklich jede geschenkte Kiste Mouton sofort leergetrunken ohne den Zeitpunkt der optimalen Reife abzuwarten?

Die Relaxati sahen dadurch natürlich ihre wertvollsten Weinbestände bedroht und waren gar nicht mehr so richtig relaxt: sie brachten ihre Mitbrüder auf den Scheiterhaufen, was den Hl. Franz im Himmel sicher sehr befremdet hat. Nur Papst Johannes behielt in diesem Streit den Überblick und erklärte in seiner Bulle "cum inter nonnulos" die Lehre des Wilhelm v. Ockham , dass Christus und die Apostel keinerlei Eigentümer besessen hätte, als ketzerisch.
Er verwies darauf, dass die Nutzung von Gebrauchsgütern grundsätzlich zu deren Vernichtung führe und deshalb ihr Besitz keine Anhäufung von Schätzen darstelle. Wer könnte das besser bestätigen als wir Weintrinker, in deren Keller die Füllgeschwindigkeit die Leergeschwindigkeit partout nicht um signifikante Beträge übersteigen will.

Benedict XII: war des Sohn eines Bäckers oder eines Müllers, aber dem Rhone-Wein sprach er trotzdem zu. Vorher hatte er allerdings als Inquisitor in den Bergen der Sabarthés die schon ausgerottet geglaubten Albigenser neu entdeckt und nochmals ausgerottet.

Clemens VI. war Nepotist erster Güte. 4 Monate nach seiner Inthronisation ernannte er 10 neue Kardinäle, darunter 9 aus Südfrankreich, wovon 5 seine Neffen waren. Das nennt man in Bayern Spezlwirtschaft, in der Schweiz Vetterliwirtschaft und in Köln Klüngel. Sehr sympathisch also.
Den schwarzen Tod überstand er im heißen Sommer 1348 nur dadurch ,dass er die ganze Zeit zwischen 2 Feuern saß und so die Flöhe nicht an ihn herankonnten. Sehr wahrscheinlich ließ er sich dazu gut gekühlten Rose aus Tavel reichen.

Innozenz VI. beschnitt die Privilegien der Kardinäle, d.h. reservierte den guten Wein für sich alleine. Als Friedenspapst ging er in die Geschichte ein, da er maßgeblich am Friedensschluß von Bretigny beteiligt war, der nach 23 Jahren die erste Phase des Hundertjährigen Krieges beendete, indem den Engländern das Bordelais abgetreten wurde und die Rhone sich so eines starken Konkurrenten entledigte - die französischen Bordeaux-Nasen sind natürlich nicht lange friedfertig geblieben.

Urban V. führte den letzten Kreuzzug gegen die Räuber kirchlichen Besitzes in Oberitalien, besonders gegen einen gewissen Bernabo Visconti, der so verderbt war, dass er den Überbringer der päpstlichen Bulle über seine Exkommunikation zwang, selbige vor seinen Augen aufzuessen.

Es war dann Gregor IX., der auf inständiges Bitten der Heiligen Katharina das babylonische Exil der Kirche beendete, den Grenache gegen den hergebrachten Sangiovese tauschte und wieder nach Rom zog.
Er war übrigens einer der 5 Neffen, die Clemens papabile gemacht hatte. Vor dem Umzug hatte er allerdings noch einmal von Avignon aus richtig aufgeräumt: nicht ein Visconti sondern gleich die ganze Stadt Florenz wurde exkonmmuniziert, was der Chronist, der dort einmal aufs Übelste bestohlen wurde, auch dem heutigen Papst empfehlen würde.
Weiterhin hetzte er 5 Bullen gegen 18 Sätze des John Wyclif. Solch ein Papst hätte den Luther wahrscheinlich einfach mit einer Ochsenherde durch die Lande treiben lassen. Schließlich verdammte er 13 Artikel des Sachsenspiegels, die sich in diesem mittelalterlichen Rechtsbuch wahrscheinlich mit dem Weinrecht an der Elbe beschäftigten und völlig ungeeigneten Rebflächen des Landes zu Grand Cru Lagen erklärten.
Also wahrhaft ein großer Papst und würdig in Roma eterna und nicht an den bouches du Rhone begraben zu liegen.

Das waren sie also, die sieben Päpste aus Avignon, die auch in der Litanei der Kölner Seilschaft von Petrus über Linus bis zu Benedikt und Hein I. nicht fehlen werden.
Der Bischof von Rom war eben für 68 Jahre außer Haus - was soll´s. Ruhig waren die Jahre, der Onkel machte seinen Neffen zum Kardinal, der französische König spendierte den Champagner und die Bayern waren der Feind. Genau wie bei uns in Köln.

Kaum aber war der Papst zurück in Italien kehrten auch italienische Verhältnisse in die Papstwahl ein.
Nach dem Tode Gregors versammelten sich die Kardinäle zum Konklave , um den neuen Papst zu wählen. Die Römer ließen die Kardinäle aber nicht alleine, sondern drangen ins Konklave, um die Wahl eines Italieners durchzusetzen.
Die Neofaschisten verbündeten sich mit den Ex-Kommunisten , die Lega della Norte mit dem Pressezaren und die Partida Verde disqualifizierte sich mit der Forderung nach einer Doppelspitze auf dem einen Papststuhl von Anfang an selber.
Zum Schluss einigte sich die Olivenzweigkoalition auf den Italiener Urban, während sich der Kandidat der französischen Partei als Clemens VII. ins althergebrachte Avignon zurückzog.
Man nannte ihn den Schlächter von Cesena, weil er in dieser Stadt als Anführer der Weißen Kompanie 3 Tage lang Zivilisten abschlachten ließ.

Das Große Schisma war geboren !

Es gab also einen Papst in Rom und einen Papst in Avignon. Jeder gute Katholik hatte nun die Möglichkeit, jeden anderen guten Katholiken nach seinem Papstfavoriten zu fragen, ihn einen abtrünnigen Häretiker zu nennen und ihn auf dem Scheiterhaufen brennen zu lassen.
So ähnlich wie heute also bei den Bordeaux-Nasen zwischen den Parker-Jüngern und den Gabriel-Anhängern.

Während in Italien wie üblich 5 Päpste in schneller Reihenfolge wechselten, hielt sich Clemens 16 Jahre lang in Avignon.

Dann kam unser aller Lieblings-Gegenpapst: Papa Luna, Pedro Martinez de Luna y Gotor, Benedict XIII. Er regierte in Avignon von 1394 bis ja bis wann denn ?
1409 wurde er vom Konzil von Pisa als abgesetzt erklärt, aber er weigerte sich standhaft.
1417 wurde er vom Konzil von Konstanz als abgesetzt erklärt, aber er weigerte sich standhaft.
Er wurde aus dem Châteauneuf von Avignon gezerrt und ins Gefängnis von Valencia geworfen - er berief von dort 4 Kardinäle.
Er stirbt 1423 als Papst - zumindest meinte er das selber.
So wie unser Hein auch immer noch meint, unangefochten an der Spitze aller Kölner Trinker zu stehen, wo die Rebläuse doch schon am Wühlen sind. Wir jedenfalls lieben Papa Luna und wollen ihm den besten aller Rhone-Weine am heutigen Abend widmen.

Die Kölner Seilschaft trank also 98er Châteauneuf in Gedenken des großen abendländischen Schismas und natürlich war das Schisma auch am heutigen Abend präsent.
Wie immer bekamen wir uns spätestens beim 10. Wein an die Köpfe, beschimpften uns als Ketzer und Deppen und knebelten schließlich den Chronisten, damit die einzig wahre Meinung unterdrückt bliebe - erst beim 20. Wein lagen wir uns wieder friedlich in den Armen und erklärten das Schisma für beendet.
Nur der Chronist schreibt danach als Papa Luna standhaft seine Meinung, dass der 83er Haut Brion wirklich nicht schlecht war; aber der Chronist ist als Weinpapst ja bereits seit dem Konzil von Schloss Aul als abgesetzt erklärt.

Heiko hatte seine 20 Weine übrigens je nach Typ und Qualitätseinstufung durch das Weingut in Gruppen eingeteilt. Wir begannen mit den:

Einstiegcuvees traditioneller Art

1. 1998er Châteauneuf du Pape, Mas de Boislauzon,
75% Grenache, 15,- Euro, 90 PP:
bräunliches Purpur. Etwas verhaltenes Bukett nach Brombeere und Kirschen.
Im Mund entfalten sich neben etwas marmeladiger Brombeere auch rote Blütenaromen und leichte Bittertöne.
Der Wein ist noch nicht ganz auf dem Höhepunkt seiner Reife, zeigt präsente und etwas bittere Tannine, ist aber im Ganzen schön abgerundet.
Einheitliche 15,0 - 16,0 Punkte, was für den genussfreudigen Johannes XXII. Und ein schöner Einstieg.

2. 1998er Châteauneuf du Pape, Pierre Usseglio,
75% Grenache, 24,- Euro, 90 PP. 8,5 Bettane:
bräunliches Granatrot und leider etwas Depot im Glas.
Sehr attraktives Bukett nach Cassis und Schwarzkirsche.
Cassis, Schokolade, süßer Alkohol und ein etwas bitterer Abgang prägen den Eindruck im Mund.
Der Wein ist auf dem Höhepunkt seiner Reife, recht harmonisch. Es fehlt etwas Statur, so wie sie vielleicht Urban V. fehlte.
Die Runde wertet 15,0 bis 15,5 Punkte hier und 16,0 Punkte da.

3. 1998er Châteauneuf du Pape, Clos du Mont Olivet,
80% Grenache, 18,- Euro, 89 PP:
bräunliches Granatrot.
Reiches Bukett nach Kirsche, Schokolade und etwas rohem Fleisch. Erdige Champignon- und Waldbodentöne vereinen sich am Gaumen mit schwarzen Beeren.
Der Wein braucht Luft und wirkt dann schön gereift. Er ist voller als seine Vorgänger.
Eine Minderheit findet den Wein etwas brandig (15,0-15,5 Punkte), die Mehrheit ist angetan, könnte den Wein durchaus ihren Neffen zur Kardinalswürde verehren und wertet 16,0 Punkte.

Einstiegcuvees moderner Machart

4. 1998er Châteauneuf du Pape, Mont Redon, 65% Grenache, 19,- Euro:
dichtes Purpur.
Kirsch und Schokolade in der Nase, Kirschkonfitüre am Gaumen mit einem leichten Bitterton.
Der Wein hat noch ein wenig Entwicklungspotential, ist aber schon schön abgerundet. Geschmeidig und lecker, was vielleicht auch ein wenig das Problem dieses mainstreamigen Weins ist. Könnte Philipp der Schöne dem Wowereit schenken.
Gefällt trotzdem: einheitliche 15,0 Punkte.

5. 1998er Châteauneuf du Pape, Beaurenard,
70% Grenache, 22,- Euro, 90 PP:
Purpur. Brombeere in Nase und Mund, am Gaumen dazu ein Anflug von Stallgeruch.
Der Wein ist reif und für alle, die den Stall nicht als Fehler empfinden auch sehr harmonisch und delikat.
So inquisitoren die einen Brandigkeit und Schweiß, wie einst Benedict XII gegen die Albigenser vorging (b>14,5 - 15,0 Punkten, während die anderen als echte Avignoneser die Harmonie rühmen 16,0 Punkte.

6. 1998er Châteauneuf du Pape, Guigal,
80% Grenache, 20,- Euro, 91 PP:
Purpur und Granatrot.
Schwarze Beeren in Nase und Mund, die am Gaumen etwas konfitürig wirkt.
Ein süffiger, reifer Wein, der wie Urban etwas belanglos wirkt.
14,0 - 15,0 Punkte durch die Mehrheit, nur Heiko entdeckt auch Gehalt und vergibt 16,0 Punkte.

Bio-Klassiker

7. 1998er Châteauneuf du Pape, Marcoux,
80% Grenache, 37,- Euro, 90 PP:
bräunliches Purpur.
Malz und etwas Uhu in der Nase, Altersüße, Malz, verwelkte Rosen und ein wenig Bitterton im Mund.
Der Wein will jetzt getrunken sein, kann aber noch mit präsenten Tanninen aufwarten.
Durch die Alterstöne kommt es zum üblichen Schisma zwischen Babymördern und Leichenfledderern:
11,0 - 12,0 Punkte werten die einen, 14,5 Punkte die anderen.

8. 1998er Châteauneuf du Pape, Beaucastel,
40% Grenache, 55,- Euro, 96 und 95 PP:
dichtes Granatrot.
Ein feines nuanciertes Bukett nach einem Korb schwarzer Beeren, die sich mit leichtem Bitterton auch am Gaumen wiederfinden.
Sehr harmonischer, feiner und eleganter Wein mit langem Abgang.
Ein Wein, den diesmal Clemens V. seinem schönen Philipp schenken könnte.
Für alle der beste Wein bisher und 17,0 Punkte wert bis auf eine Einzelmeinung, die Schwefeligkeit bemängelt.

Verfechter der Monocuvees (d.h. es gibt nur einen Châteauneuf und keine Spitzencuvée)

9. 1998er Châteauneuf du Pape, Vieux Donjon,
70% Grenache, 40,- Euro, 95 + 96 PP:
Purpur und Granatrot.
Stall und schwarze Beeren in der Nase, ein Korb schwarzer Beeren am Gaumen, wozu sich Malz- und Bittertöne gesellen.
Der Wein ist am Höhepunkt seiner Reife.
Ein langer Nachhall offenbart Statur und Tiefe. Die Runde vergleicht direkt mit dem Vorgänger und teilt sich in 2 Lager:
die einen bemängeln weniger Eleganz als beim Beaucastel 16,0-16,5 Punkte, die anderen finden ihn charaktervoller 17,5 Punkte.
Fest wie Gregor.

10. 1998er Châteauneuf du Pape, Clos des Papes,
65% Grenache, 46,- Euro, 90 PP:
dunkles Ziegelrot.
Alterstöne und ein wenig Uhu in der Nase.
Rote Früchte mischen sich mit Alterstönen am Gaumen.
Der Wein ist am Höhepunkt seiner Reife.
Er weist Saft, Tiefe, Eleganz und Delikatesse auf. Wie der alte Johannes, der im Alter auch immer umstrittener wurde.
Je nach Bewertung der Reife wertet die Runde alles zwischen 14,5 und 17,5 Punkte.

11. 1998er Châteauneuf du Pape La Crau ,Vieux Télégraphe,
65% Grenache, 41,- Euro, 94+ PP, 9 Bettane:
sattes Granatrot.
Ein reiches Bukett nach schwarzen Beeren und etwas Stall.
Im Mund finden sich schwarze Beeren und präsente Tannine. Trotz Dekantierung wirkt der Wein noch entwicklungsfähig.
Ein langer Abgang, lebendige Säuren, präsente Tanninen und viel Saft runden den Wein ab. Kraft paart sich mit Eleganz und Dichte mit Nuancenreichtum.
Der Wein hat Biss wie der Schlächter von Cesena und bekommt 16,5 - 17,5 Punkte.

Moderne Spitzencuvées

12. 1998er Châteauneuf du Pape Boisrenard, Beaurenard,
85% Grenache, 35,- Euro, 95 PP, 18,5 Bettane:
schwärzliches Granatrot.
Stall und Brombeeren in der Nase, dazu Cassis und Bitterschokolade am Gaumen.
Der Wein hat noch viel Entwicklungspotential, Kraft und Eleganz zusammen und wirkt insgesamt sehr rund.
Sehr schön findet die Runde, würde ihn als Clemens VI der ganzen Familie schenken und wertet einheitlich 16,5 - 17,0 Punkte.

13. 1998er Châteauneuf du Pape Cuvée les Cadettes,
35% Grenache (39% Mourvedre), 45,- Euro, 95-97 PP:
dunkles Purpur.
Reiches, komplexes Bukett nach Brombeeren und Holztöne.
Vanille und Brombeere im Mund.
Langer Abgang und viel Milde bei Säure, Tanninen und Harmonie.
Nur eine Minderheit um den Chronisten werten den Wein mit 16,0 Punkten, die große Mehrheit findet ihn den besten Wein bisher und wertet 17,0 - 18,5 (Schwerpunkt bei 18,0) Punkten.
Also ebenso überschätzt wie der "Friedenspapst" Innozenz VI.

14. 1998er Châteauneuf du Pape Réserve, Clos du Caillou,
50% Grenache, 40% Mourvedre, 77,- Euro, 99 + 96 PP:
schwärzliches Purpur.
Reiches Bukett nach altem Holzfass und Brombeere, die sich zusammen mit etwas Stall und viel Altersüße auch im Geschmack wiederfinden.
Viel Saft, viel Harmonie und Delikatesse im langen Nachhall, Kraft, Eleganz und Tiefe.
Einheitlich findet die Runde zum Lob dieses Weines: toll, kann man stundenlang süffeln.
17,5 - 18,5 Punkte und damit der Gewinner des Abends.
Unser Wein um Papa Luna im Gefängnis zu trösten.

Traditionelle Opulenz

15. 1998er Châteauneuf du Pape Réservée, Pegau,
75% Grenache, 36,- Euro, 94 PP, 9 Bettane:
schwärzlich.
Reiches, komplexes Bukett nach Stall, Veilchen und Garrigue.
Am Gaumen ebenfalls animalische Noten, Garrigue und schwarze Beeren.
Der Wein ist noch nicht auf dem Höhepunkt. Vollsaftig zeigt der Wein langen Nachhall und Kraft.
Die Feinde aller Stallaromen (Brettanomyces ?) und Freunde der Inquisition werten 14,5 - 15,0 Punkte.
Die andere Hälfte lobt den Garrigue-Ton, denkt, dass der Wein die Pest ganz ohne Feuer vertreiben würde und wertet 16,0-16,5 Punkten.

16. 1998er Châteauneuf du Pape Laurence, Pegau,
75% Grenache, 59,- Euro, 98 + 96 PP:
Purpur und Granatrot.
Reiches Bukett nach Holz und Thymian.
Schwarze Beeren, Kirschen und Holztöne am Gaumen.
Der Wein hat noch viel Potential. Er wirkt eleganter und harmonischer als sein Vorgänger aus gleichem Haus.
Trotzdem findet eine Minderheit um den Chronisten den Wein lange nicht so gebietstypisch wie den Clemens und seine Neffen und wertet 16,0 Punkte.
Die Mehrheit lobt den kräftigen Körper und vergibt 17,0 - 18,0 Punkte.

17. 1998er Châteauneuf du Pape Cuvée Papet, Clos du Mont Olivet,
95% Grenache, 55,- Euro, 98-95 PP:
schwärzliches Purpur.
Stall, Brombeere, Kräuter und schwarze Beeren in der Nase, die sich am Gaumen auf Brombeere und Stall vereinheitlichen.
Langer Abgang, viel Saft, Eleganz und Delikatesse können die Runde beeindrucken.
Auch wenn ein Teil den Wein nicht viel besser als die recht hoch bewertete Standardcuvée findet, wertet die Runde 16,5 - 17,5 Punkte und könnte ihn im Keller von Johannes vermuten.

Traditionelle Machart aus alten Reben

18. 1998er Châteauneuf du Pape Vieilles Vignes La Crau, de la Charbonnière,
95% Grenache, 29,- Euro, 89+ PP:
schwärzliches Purpur.
Feine schwarze Beeren in der Nase, Brombeere am Gaumen.
Der Wein ist reif, kann aber noch lagern. Viel Saft und Harmonie geben Delikatesse.
Einheitliche 16,0 - 16,5 Punkte durch die Runde.
Dem Überbringer der Exkommunizierung des Grafen Visconti hätte die Bulle sicher besser geschmeckt, wenn er diesen Wein dazu hätte trinken dürfen.

19. 1998er Châteauneuf du Pape Cuvée Grenache, Bosquet des Papes,
100% Grenache, 25,- Euro, 89 PP:
undichter Korken lässt den Wein so tot sein, wie alle oben besprochenen Päpste.
Keine Wertung.

20. 1998er Châteauneuf du Pape Cuvée Chantemerle, Bosquet des Papes,
70% Grenache, 36,- Euro, 93 PP:
Purpurfarben.
Kräuter und Brombeere in der Nase.
Im Mund Kräuter und etwas Alkohol.
Lebendige Säuren lassen den Wein noch etwas lagerfähig erscheinen.
Lecker und 15,5 Punkte findet der Chronist und einige wenige Mitstreiter.
Der Rest der Seilschaft ist besoffen und findet diesen Wein untrinkbar.


Es war eine sehr hochklassige Verkostung, die uns Heiko da mit den 98er Châteauneufs präsentierte.
Und er hatte recht, dass 10 Jahre für die meisten Weine ein richtig gutes Alter war.
Dank sei dem Heiko und auch den Päpsten, die einst vor den Toren von Avignon egal was an Rebsorten anpflanzen ließen, wenn nur guter Wein daraus entstehen würde
meint Wolfgang

P.S. Heiko Reinartz schrieb zum Protokoll

Hallo Wolfgang,
vielen Dank für das tolle Protokoll und die Blumen!
Ich möchte aber an dieser Stelle bemerken, dass das Konzept der Probe von Ralf Kaiser und mir stammt und Ralf auch einige der Weine zugesteuert hat.
Also bitte auch Blumen für ihn.
Auf jeden Fall hat es mir wieder sehr viel Spaß gemacht, eine Probe für die Kölner Seilschaft vorzubereiten und mit Euch zu genießen.
Vor allem da so viele Weine wirklich großartig waren.